Daniela Winterfeld: Verloren

Es war keine Liebe auf den ersten Blick zwischen VERLOREN und mir.
Vielleicht gerade, weil ich schon einige Bücher von Daniela Winterfeld (Daniela Ohms) gelesen hatte und wusste, wie eindringlich sie schreibt. Und weil sie meine Freundin und Bürokollegin ist und ich Angst hatte, das Buch blöd zu finden.
»Die Scheunenszene musst du überblättern«, sagte mir jemand, der weiß, dass ich eine Mimose bin, was Fiesheiten in Büchern angeht. »Die ist … echt heftig.«
Ich wollte keine heftige Scheunenszene, ich wollte eigentlich überhaupt gar kein düsteres Buch. Also las ich Verloren nicht. Bis … na ja … bis ich eben doch anfing und gleich in die Welt von Aldar eingesogen wurde und die halbe Nacht durch lesen musste. Es ging nicht anders. 🙂

Ein bisschen merkt man Verloren an, dass es nach Aussage der Autorin geschrieben wurde, bevor das Genre Urban Fantasy überhaupt einen Namen hatte. Denn es folgt dessen derzeit etablierten Regeln nur begrenzt – es verfolgt einfach gnadenlos realistisch die Idee, was wäre, wenn jemand wirklich übernatürliche Kräfte hätte.
Die Fantasy-Elemente sind in diesem Band (noch?) zu vernachlässigen – genauso könnte es sich bei diesem ersten Band um ein Buch zu seelischen Störungen und Mobbing handeln. Und zwar um ein ziemlich gutes – und sehr, sehr düsteres.
Teilweise fand ich das Drama am Anfang ein bisschen over the top, die Stimmungen der Figuren zu laut und zu plötzlich, aber das ändert nichts daran, dass ich noch Wochen später die Charaktere im Kopf habe und darüber nachdenke, wie ich an ihrer Stelle gefühlt und gehandelt hätte.
Sehr mutig von der Autorin fand ich, in Leany eine (zu Anfang) absolut unsympathische Hauptfigur zu erschaffen. Was habe ich Leany beim Lesen verabscheut! Gegen Ende des Buches halte ich es zumindest für ganz vielleicht möglich, dass sie mir im nächsten Band so ans Herz wachsen wird, wie ihre Schwester Cairenn das schon getan hat.
Sowohl Protagonist Nico als auch Leany, in die er sich trotz ihrer Biestigkeit verliebt, legen eine spannende Entwicklung hin, und ich bin neugierig, wie es mit den beiden weitergeht.
Also, Frau Winterfeld – legen Sie los mit dem nächsten Band! ich will mehr!

Winterfeld, Daniela:
Verloren
YA ab 16
Ink Rebels, ISBN 978-3958695733
Broschiert, € 14,90

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Cristin Terrill: Zeitsplitter

Nachdem ich Here Lies Daniel Tate von Cristin Terrill gelesen hatte, wollte ich mehr aus ihrer Feder, also habe ich mir den YA-Zeitreiseroman Zeitsplitter gekauft – auf englisch All Our Yesterdays (was es meines Erachtens nach besser trifft, aber was soll’s).
Ich finde sowohl das englische als auch das deutsche Cover ziemlich grottig, wobei das englische wenigstens die Stimmung im Buch widergibt. Die ist nämlich so gar nicht süßlich.

Worum geht’s?

Die Geschichte fängt mit einer Gefangenschaft und einem Abflussgitter im Boden der Zelle an. Ich-Erzählerin Em ist unerkärlich fasziniert von diesem Abfluss. Sie und ihr Freund Finn sind in nebeneinanderliegenden Zellen gefangen, und während Finn singt, um die Geräusche zu übertönen, die sie macht, schraubt Em mit einem geklauten Löffelstil das Abflussgitter ab und findet dort eine Botschaft in ihrer eigenen Handschrift, die sie sich auf einer Zeitreise hinterlassen hat. YOU HAVE TO KILL HIM ist die letzte Option, die ihr bleibt – auf dem Zettel sind 14 andere bereits durchgestrichen, sie scheint schon öfter an diesem Punkt in der Zeit angekommen zu sein.

Wie sie dorthin gekommen ist, wen sie töten muss, um sich selbst zu retten, und warum das dennoch ein Ding der Unmöglichkeit ist, entwickelt Terrill auf zwei ineinander verflochtenen Zeitebenen so, dass man das Buch nicht mehr aus der Hand legen kann (Klappentext):

GESTERN war Marina sicher, prvilegiert, wohlhabend. Sie war verliebt in James, den superklugen jüngsten Sohn einer sehr mächtigen Familie.

HEUTE sitzt Em in einer Zelle, aus der sie vielleicht niemals lebendig herauskommt. Doch es gibt ein Fünkchen Hoffnung, wenn sie mit dem Jungen in der Zelle nebenan spricht und sich daran erinnert, wer sie war … gestern.

MORGEN hat Em eine Mission. Sie muss entkommen und in der Zeit zurückreisen. Sie muss den Jungen töten, den Marina liebt, um ihre Zukunft zu retten.

Mein Fazit:
Es ist ein tolles, schnell getaktetes Buch.
Es hat mich wunderbar unterhalten und nicht losgelassen, obwohl einiges natürlich vorhersehbar war.
Super geschrieben, prima Unterhaltung, große, ethische Lebensfragen.

Terrill, Cristin:
Zeitsplitter
YA ab 14
ONE, ISBN 978-3846600252
Broschiert, € 10,00

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Cristin Terrill: Here Lies Daniel Tate

Sorry, dass der Titel englisch ist.
Sorry, dass das ganze Buch englisch ist.
Ich glaube, das gibt es (noch) nicht auf deutsch, aber ich finde es einfach so grundgut, dass ich es euch dennoch jetzt schon empfehlen will.

Was mich als erstes angesprungen hat, war dieser wunderbar doppeldeutige Titel: Here Lies Daniel Tate kann entweder bedeuten »Hier liegt (ruht) Daniel Tate« oder eben auch — und das ist für das Buch bezeichnend — »Hier lügt Daniel Tate«. Die ganze Geschichte über gibt es diesen doppelten Boden, und dank des unzuverlässigen Ich-Erzählers kann man sich nie so ganz hundertprozentig sicher sein, wie viel von dem, was er einem auftischt, nun gerade stimmt.

Worum geht’s?
(Das hier ist stumpf der übersetze Klappentext, aber ich mag den, also bleibt er so.)

Als der zehnjährige Daniel Tate aus einer der elitärsten Nachbarschaften Kaliforniens verschwand, blieb von ihm keine Spur.
Sechs Jahre später, als er auf einer verschneiten Straße in Vancouver wieder auftaucht, ist er nicht mehr derselbe Junge. Sein Haar ist dunkler, die Sommersprossen sind weg, und anfangs ist er zu traumatisiert zum Sprechen. Seine überglückliche Familie bringt ihn nach Hause in eine Welt aus Luxus und Komfort, an die er sich kaum erinnern kann. Mit der Zeit, versichern sie ihm, werden seine Erinnerungen zurückkommen; alles, was zählt, ist, dass sie wieder vereint sind.
Es ist perfekt. Ein Wunder. Bis auf die eine Sache.
ER IST NICHT DANIEL TATE.

»Daniel« — man erfährt nie, wie er wirklich heißt — ist kein auf den ersten Blick sympathischer Held. Er lügt und betrügt und mogelt sich als gerade Volljähriger in ein Heim für Jugendliche. Gleichzeitig beobachtet er so irrsinnig genau, und immer wieder klingt im Nebensatz seine wahre Geschichte zwischen all den Lügen durch, die ihn so hat werden lassen: gebrochen, raffiniert und gefühllos (Letzteres behauptet er zumindest selbst). Und im Laufe der Geschichte legt er eine rasante Entwicklung hin. Vielleicht.

Terrill, Cristin:
Here Lies Daniel Tate
Young Adult ab 14
Softcover, ISBN 978-1481480765
€ 17,00

Hier kaufen – ausnahmsweise – beim großen A

Für die Serienjunkies: Ku’damm 56

»Long form storytelling« ist etwas, das ich sehr schätzen gelernt habe, seit es richtig gut gemachte Serien jenseits billiger Daily Soaps gibt. Netflix und ich sind seither sehr gute Freunde.
Die Serie, die ich euch heute ans Herz legen will, gibt es aber nicht nur da, sondern in der ZDF-Mediathek. (Ja, ich schäme mich ein wenig, wie erstaunt ich war, eine so irrsinnig gut gemachte deutsche Produktion zu sehen. Nicht nur die Amerikaner können Film.)

Worum geht’s?
Die Beschreibung der Mediathek kann kaum vermitteln, wie tief das Ganze geht: Berlin 1956. Die junge Monika Schöllack kämpft gegen ihre strenge Mutter Caterina und die Konventionen der Zeit. Die Kraft dafür bekommt sie durch ihre große Leidenschaft: den Rock ‘n’ Roll.

Okay. Berlin 1956 klang jetzt für meine Ohren nicht super sexy, und ich wäre nie auf die Idee gekommen, Ku’damm 56 zu gucken, wenn mich nicht eine Autoren-Kollegin drauf gestoßen hätte (unter anderem mit dem Hinweis darauf, dass Schauspieler Sabin Tambrea gern in der Verfilmung jedes ihrer Bücher mitspielen dürfe 😉 ). Also dachte ich: »Was soll’s. Guck ich mal rein.« Ich war sehr schnell mitten drin im Drama.
Denn es ist viel mehr als nur ein Tochter-Mutter-Konflikt. Es ist eine wunderbar erzählte Geschichte aus der Nachrkiegszeit. Ich habe unglaublich viel über meine Eltern- und Großeltern-Generation erfahren (und verstanden – Hammer, wie weit wir gekommen sind!). Die Charaktere sind großartig gezeichnet, die Kameraführung ist toll, das Licht ist toll, die Musik ist toll, die Schauspieler sind toll – an dieser Serie stimmt einfach alles.

Ich will, dass ihr das jetzt alle anguckt, weil ich mich mit euch über diese eine krasse Szene unterhalten will, in der man etwas über Monikas besten Freund Freddy erfährt, das so … ich will nicht spoilern. Aber es hat mir mehr als Gänsehaut gemacht.

Die Serie hat zwei kurze Staffeln: Ku’damm 56 und Ku’damm 59, die mit jeweils drei Filem in Spielfilmlänge aufwarten.

Ku’damm 56
bei Netflix
beim ZDF
bei Amazon (auch prime)

Jennifer Benkau: Dark Canopy / Dark Destiny

Eigentlich wollte ich gestern schreiben.
Eigentlich MUSSTE ich gestern schreiben. Und lektorieren. Und E-Mails beantworten. Und mich um den einen oder anderen Kleinkram kümmern.

Der Fehler war, dass ich dachte, ich könne beim Frühstück mal eben so zwischendurch nur ein paar Seiten lesen, nachdem ich DARK CANOPY jetzt zum dritten Mal aus der Bücherei ausgeliehen und noch nicht angerührt hatte.

Was soll ich sagen? Abends um neun hatte ich keine E-Mails beantwortet, nicht mehr als eine einzige Seite geschrieben und niemanden angerufen, aber dafür heulte ich jetzt, weil die Bücher zu Ende waren, der Rausch vorbei. Weil ich Dark Canopy niemals wieder zum ersten Mal lesen würde. Weil ich nie wieder mit Joy zum ersten Mal die Dark Destiny besteigen würde. Und weil … aber das darf ich nicht sagen.

Dark Canopy und Dark Destiny sind keine perfekten Bücher. Sie sind voll mit Echtheit, mit Liebe, mit Hass, mit Blut und Gewalt und unglaublicher Schönheit. Nicht umsonst wurde die Story 2013 mit dem DeLiA-Literaturpreis ausgezeichnet. Jennifer Benkau kann einfach schreiben.
Die zu Beginn der Geschichte 20-jährige Joy ist keine niedliche, anschmiegsame Protagonistin, sondern eine harte, teilweise bittere Kriegerin, die täglich unter widrigsten Bedingungen um ihr Leben kämpfen muss, seit die “Percents” mit gnadenloser Gewalt die Menschheit unterjocht haben. Allein dafür mag ich sie. (Beide. Joy und Jennifer.)

Leider verrät der Klappentext schon einiges von dem, was die Leser erwartet:

Stell dir vor, du musst täglich ums Überleben kämpfen.
Stell dir vor, dein Gegner ist unbesiegbar.
Stell dir vor, du kommst ihm zu nah.
Stell dir vor, du verliebst dich in ihn.

Wegen dieses Klappentextes wusste ich ja nun schon ein bisschen, was kommt, inhaltlich. Joy, die Rebellin, die Freundin des Rebellenclan-“Kronprinzen” Matthial, verliebt sich in Neél, den Percent, und natürlich wartete ich darauf, dass und wie das passiert. Aber ich hatte keine Ahnung, was es für ein emotionaler Ritt werden würde.

Jemand hat in einer Rezension behauptet, die Geschichte hätte keine Botschaft. Ich vermute, diese Person kann nicht lesen. Selten habe ich Bücher gelesen, in denen es so viel um Menschlichkeit ging, darum, was uns gut macht, darum, was uns lieben lässt. Und auch darum, welche Opfer man für den und das, was man liebt, bringen kann, ohne sich zu verlieren – und welche eben nicht.

Ich denke, ich werde diese Bücher jetzt in die Bücherei zurückbringen. Dann werde ich in den Buchladen gehen und sie kaufen und liegen lassen, bis ich sie wieder zum ersten Mal lesen kann.

https://www.buch7.de/store/image_fullscreen/1018877802?image_type=CBILD

Benkau, Jennifer:
Dark Canopy
Script5, 978-3839001448
Gebundene Ausgabe, € 18,95

Dark Destiny
Script5, 978-3839001455
Gebundene Ausgabe, € 18,95

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Gordon Korman: Masterminds

Das wirklich Coole an guten Jugendbüchern ist ja, dass man kein Kind oder Jugendlicher sein muss, um sie zu lesen und zu mögen.
“Masterminds” von Gordon Korman ist so eins (bzw so eine Serie).

Worum geht’s?

Der Anfang wird aus der Perspektive des 13-jährigen Eli erzählt, der in dem winzigen Nest Serenity in New Mexico aufwächst. Sein Freund Randy überredet ihn zu einer Radtour, um jenseits der Dorfgrenzen ein altes Auto anzuschauen. Bevor sie es jedoch ereichen, wird Eli von mörderischen Kopfschmerzen und Übelkeit vom Rad geholt, und in diesem Augenblick ahnt der (erwachsene) Leser, dass  Eli Serenity aus irgendwelchen Gründen nicht verlassen darf – ganz im Gegensatz zu seinem Freund Randy, der kurz darauf fortgeschickt wird, angeblich um seinen Großeltern zu helfen.

Die Geschichte springt danach hin und her zwischen insgesamt fünf Erzählperspektiven von fünf Jugendlichen, was ich erst störend fand, aber nach und nach immer mehr zu schätzen wusste, weil jede(r) der fünf auf ihre/seine Art ganz Besonders ist.

Durch einen Zufall findet Eli heraus, dass es noch ein zweites Internet gibt neben dem, was er und seine Freunde kennen, und von da an nehmen die Ereignisse ihren Lauf. Ich mag nicht spoilern und verraten, was die fünf herausfinden über ihre “perfekte” Heimatstadt und sich selbst, aber soviel sei gesagt: Es wird spannend. Dabei aber nie blutig oder eklig (ist ja offiziell ein Kinderbuch), sondern es macht einfach Spaß und ist teilweise unglaublich witzig.

Einziger Wermutstropfen: Es gibt nur die ersten beiden der drei Bände auf Deutsch als gebundes Buch (den dritten als E-Book), wobei es mir schleierhaft ist, warum der Beltz-Verlag, den ich für einen der besten, seriösesten und fairsten Verlage halte, eine Übersetzung UND ein Cover bezahlt, aber dann keinen Druck mehr. Nun denn, muss ich nicht verstehen.
Wir haben den dritten Band auf Englisch gelesen; ich kann guten Gewissens sagen, die Übersetzung von Sandra Knuffinke und Jessika Komina ist sehr gelungen.

Korman, Gordon:
Masterminds : Im Auge der Macht
Beltz, 978-3407745941
Gebundene Ausgabe, € 12,95

Weitere Bände:
Masterminds : Im Sog des Verbrechens
Masterminds : Im Angesicht der Wahrheit

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Eric Lindstrom: Wie ich dich sehe

Zuerst dachte ich, die erste Buchempfehlung, die ich hier schreibe, müsse irgendwie sensationell sein. Weltbewegend. Bedeutsam.

Muss sie aber gar nicht. Mein Blog. Meine Regeln.
Ich kann einfach irgendwo anfangen.
Und ich denke, ich werde mit “Wie ich dich sehe” von Eric Lindstrom beginnen.

Parker ist sechzehn und blind, seit sie einen Unfall hatte. Aber das bedeutet nicht, dass sie sich aufhalten lässt. Sie ist keine Protagonistin, die einem leidtun muss – zumindest nicht wegen ihrer Blindheit.
Parker ist ruppig und stark. Seit dem Tod ihres Vaters gibt sie sich für jeden Tag, an dem sie nicht weint, einen Goldstern. Und sie läuft, heimlich im Park. Die Strecke, die ihr Vater mit ihr trainiert hat, die sie kennt.
Es ist herzzerreißend, mitzuerleben, wie Parker sich selbst im Weg steht, wie sie die Welt nicht an sich heranlässt – und dann eben doch.

Parkers Geschichte ist nicht nur eine Geschichte darüber, sich nicht kleinkriegen zu lassen von der Welt, sondern viel mehr eine Geschichte um Freundschaft, Vertrauen und Heilung. Und nebenbei ist es noch eine wunderbar zarte und einfühlsame Liebesgeschichte.

Eric Lindstrom schreibt sehr präzise, und er liebt seine Figuren. Das sind zwei der ganz großen Stärken des Buches.

Ich habe das Buch auf Englisch gelesen, ich weiß also nicht, wie die deutsche Übersetzung ist (das deutsche Cover mag ich nicht besonders). Aber die ersten Sätze, die ich in der Vorschau gesehen habe, lassen Gutes ahnen, und Geschichte ist auf jeden Fall unglaublich lesenwert.

Lindstrom, Eric:
Wie ich dich sehe
Carlsen, ISBN 978-3551583475
Gebundene Ausgabe € 16,99

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